Silian

Trikuspidalatresie und unterbrochener Aortenbogen

 

 

Silian Dobler ist am 6. September 1995 mit Trikuspidalatresie Typ I B und unterbrochenem Aortenbogen Typ A geboren.

Silian hat drei Geschwister Saritha (geb. 5.5.1994), Rafael (geb. 28.12.1996) sowie Lynn (geb. 14.12.2000). Die Mama Christiane Guerra ist 1963 in Madagaskar geboren und von Beruf Dipl.-Lebensmittetechnologin. Silan’s Papa, Gerold Dobler, ist Schwabe Jahrgang 1958, promovierter Agraringenieur und arbeitet als PR-Referent bei der Firmengruppe Liebherr.

Bis Ende 1997 lebte die Familie in Bad Nauheim und seither sind wir bei Biberach/Riss rund 30 km südlich von Ulm zu Hause.

Silian hat bis Dezember 2002 vier große Herzoperationen (3 x Giessen, 1 x Birmingham) und drei einfachere nicht-Thorax-OP’s sowie nicht weniger als neun Kathederuntersuchungen hinter sich gebracht. Gemessen an den ursprünglichen Prognosen, die von „hoffentlich haben Sie noch ein anderes Kind“ bis zu „irgendwie werden wir das hinkriegen“ reichten, ist Silian’s Biographie trotz vieler Turbulenzen eigentlich eine Erfolgsstory die Mut machen kann. Am bisherigen Ende unserer Lernkurve als Herzkind-Eltern stehen einige prinzipiellen Erkenntnisse:

  • Man muss das Schicksal respektieren – dennoch darf man nie müde werden ihm auf die Sprünge zu helfen wo immer man eine Chance sieht.
  • Man ist der wichtigste und in letzter Konsequenz einzig alleinverantwortliche Anwalt seines Kindes. Diese Verantwortung nimmt einem kein Mediziner ab.
  • Man täuscht sich, wenn man meint es gäbe für Laien keine Gestaltungsspielräume im Räderwerk der High-Tech-Medizin. Es ist entscheidend, aktiv die richtige Betreuungskompetenz zu finden. Dabei kann es nötig sein, als Strippenzieher über Kompetenzgräben hinweg gewinnbringende Synergien aufzubauen.
  • Bürokratische Abläufe, häufig scheinbar naturgesetzmäßig, schreien in der Regel nach Hinweisen zu Abkürzungen die keinem weh tun.
  • In dramatischen Entscheidungskonflikten sollte die elterliche Intuition mindestens den selben Rang einnehmen wie der medizinische Rat.

Hier ist Silian’s Krankheitsgeschichte in chronologischer Form:

6.9.95 Problemlose Geburt in der Uniklinik Giessen. Die schwerwiegende kardiologische Diagnose war bereits seit ca. der 20. Schwangerschaftswoche klar.
7.9.95 OP Kinderherzzentrum Giessen: Rekonstruktion des Aortenbogens (End-zu-Seit-Anastomose), Bändelung der Pulmonalaterie.
Silian im Winter 95/96
8.2.96 Herzkatheder: Feststellung einer geringen Klappenstenose zwischen Aorta ascendens und linkem Ventrikel (Gradient 15 mmHG)
12.8.96 OP Kinderherzzentrum Giessen: Bidirektionale-Glenn-Anastomose, Post-OP: Passagere Zwerchfellähmung
9.7.97 Ambulante Untersuchung: Feststellung 1-2-gradiger Mitralklappeninsuffizienz.
11.2.98 Herzkatheder: Die Subaortenstenose erfordert eine unverzügliche Intervention.
19.2.98 OP Kinderherzzentrum Giessen: Resektion der Stenose, Mitralklappenrekonstruktion, Postoperativer AV-Block III.°, Implantat eines DDD-Schrittmachers mit zu hoher Reizschwelle der Kammer-Elektrode, Erhebliche Probleme bei der Stillung starker Blutungen im Bereich des Narbengewebes im Thorax schon während der OP (Dauer 7-9 Stunden), anschließend Wiedereröffnung des Thorax – über mehrere Tage hinweg sehr kritischer Zustand. Silian wird nach ca. 2 Wochen Intensivstation und 1 Woche Normalstation in sehr schlechtem Allgemeinzustand vorübergehend entlassen. Er soll sich zu Hause erholen, um schnellstmöglich für eine erneute OP zur Neusetzung der Kammer-Elektrode fit zu sein. Diese OP wird dann von Termin zu Termin verschoben und findet letztendlich erst im September 2001 statt.
Silian in Giessen Februar 98
17.8.98 Das Versorgungsamt Ulm bescheinigt Silian rückwirkend ab Geburt einen Grad der Behinderung von 90 % und vergibt die Merkzeichen G, B, H, aG und RF
4.9.98 Die Techniker Krankenkasse gewährt für Silian rückwirkend ab 1.6.98 Pflegegeld der Stufe 1.
14.4.99 Herzkatheder: Re-Aortenisthmusstenose (Gradient 15 mmHG – keine Intervention)
19.4.99 OP: Batteriewechsel des Schrittmachers und Neuprogrammierung, (komplikationslos). Die weiterhin zu hohe Reizschwelle wird toleriert, um bis zur geplanten Fontan-OP ohne weiteren Eingriff auszukommen.
21.7.99 Auf einer Urlaubsreise erleidet Silian während einer 10-stündigen Fährüberfahrt nach Sardinien einen Ohnmachtsanfall. Da Embolieverdacht besteht, wird er per Hubschrauber von der Fähre nach Ajaccio (Korsika) geflogen. In der dortigen Pädiatrie werden im CCT keine Auffälligkeiten festgestellt. Entlassung nach 2 Tagen und Fortsetzung des Urlaubes.
April 00 In den letzen Wochen ist zu Hause ein Leistungsabfall mit zunehmender Zyanose registriert worden. Die O2-Sättigung ging zeitweise bis auf 60 % zurück. Erstmals verweigert Silian fast kategorisch jegliches Treppensteigen ohne fremde Hilfe.
25.4.00 Herzkatheder: Mitralklappeninsuffizinz hat zugenommen. Hb 18,9. Die eigentlich für 26.4. geplante Fontan-OP erscheint fraglich und wird zunächst verschoben.
27.4.00 Erneuter Herzkatheder: Eine kleinere Kollaterale wird mit Coil verschlossen, genauere Betrachtung der Mitralklappen ergibt weiterhin eine Insuffizinz von 1-2 (Gradient 15 mmHG). Giessen sieht jetzt keine Fontan-Option mehr.
28.4.00 Schrittmacherprüfung ergibt eine erhöhte Reizschwelle im Ventrikel von 7,5 V. Eine weitere Tolerierung dieses Zustandes ist in Frage gestellt. Batterie-Restlaufzeit wird auf 2 -4 Monate geschätzt.
Juni 00 Einholen einer zweiten Meinung am Universitätsklinikum Tübingen. Dort wird– anders als in Giessen – die Komplettierung der Fontan-OP trotz gleichermaßen hoch eingeschätztem OP-Risiko empfohlen. Nach langer Überlegung beschließen wir, diesen Weg zu gehen.
4.7.00 Herzkatheder zur Vorbereitung der OP in Tübingen. Aufgrund des Befundes fällt die Risikobemessung der für den Folgetag terminierten OP noch höher als erwartet aus. Wir stimmen deshalb der OP zunächst nicht zu. Es wird vereinbart, dass zunächst nur der akut notwendige Schrittmacher-Battrerietausch und ein weiterer Herzkatheder mit einem Versuch zur Ballondilutation der Re-Aorteninstmusstenose durchgeführt wird.
5.7.00 OP: Batteriewechsel und zweiter Herzkatheder in Tübingen. Die Aorteninstmus-Stenose wird praktisch beseitigt – es ist kein Gradient mehr vorhanden. Um die Stabilität diese Befundes abzuwarten wird ein OP-Termin ca. 3 Monate später anvisiert. Wir beschließen jedoch, zunächst die Situation mit weiteren Fachleuten zu reflektieren.
Sept. 00 Erneute Vorstellung in Giessen. Wegen des zu hohen Risikos wird erneut von der Durchführung der Fontankomplettierung abgeraten.
Nov. 00 Einholen einer dritten Meinung bei Dr. Stümper/ Dr. Brawn am Birmingham Children’s Hospital (BCH). Von dort wird die Fontankomplettierung innerhalb 6-9 Monaten empfohlen wobei die Risikoeinschätzung deutlich geringer ausfällt als bisher angenommen. „Mr. Brawn would be more than happy to carry out the operation...“. In der Folge empfiehlt auch das Giessener Kinderherzzentrum den Eingriff am BCH.
Silian im November 2000
April 01 Nach längerem hin und her genehmigt die Techniker-Krankenkasse den Eingriff in Birmingham.
Mai 01 Das BCH informiert uns darüber, dass die Operation im Zeitraum Juli/August 2001 – auf jeden Fall noch innerhalb der bis September geschätzten Restlaufzeit der Schrittmacherbatterie – stattfinden soll.
20.8.01 Bescheid aus Birmingham: Als OP-Termin wird Silian’s sechster Geburtstag – also der 6.9.2001 festgelegt. Ein gutes Omen – denken wir.
24.8.01 Bei einer letzten Kontrolluntersuchung in Giessen zeigt sich Silian in guter Verfassung. Am folgenden Tag treffen wir kurz auf Dr. Brawn, der aus Anlass der 40-Jahr-Feier der Giessener Kinderkardiologie einen Vortrag hält. Auch dies ist ein beruhigender Faktor in einer angespannten Situation.
7.9.01 OP Fontan-Komplettierung bei Dr. Brawn am BCH. Implantierung eines extrakardialen 20mm-Goretex-Condiuts mit 5 mm-Fenestrierung direkt am Vorhof angenäht. Gleichzeitig komplette Neuanlage des Schrittmacher-Systems (Aggregat, endokardiale Vorhofelektrode und epikardiale Kammerelektrode) mit nunmehr normalen Reizschwellen. Dauer der OP 8.45 – 14.30h (davon 106 Minuten an HLM, jedoch ohne Stillegung des Herzens). Extubierung ca. 16 Stunden post-OP
9.9.01 Verlegung von Intensiv auf Normalstation. Das Team der legendären „Ward 12“ unter der Leitung des deutschen Kinderkardiologien Dr. Stümper bringt Silian in sensationell kurzer Zeit wieder auf die Beine.
Silian mit Dr. Brawn am 13.9.01
15.9.01 Nach absolut komplikationsfreiem Verlauf wird Silian nur 8 Tage nach der OP stationär entlassen. Dr. Brawn stellt einen bemerkenswert reibungslosen Verlauf fest und macht uns Hoffnung auf viele OP-feie Jahre. Silian kennt nun den Unterschied zwischen „good boy“ (Standardbemerkung von Ärzten, Schwestern, Animateuren..) und „good bye“. Wir bleiben jedoch noch einige Tage in England und genießen Birmingham, Fish-and-Chips etc. Sogar ein Kurztrip an die Südküste von Wales liegt noch drin, bevor wir am 19.9. zurück nach Stuttgart fliegen.

„Good bye, good boy“ - Silian am 19.9.01

Juli 2002

Schrecksekunden: Innerhalb eines Tages Zeit fällt Silian vier mal bewusstlos zu Boden und ist jedoch jeweils nach wenigen Sekunden wieder komplett bei sich. Die Anzeichen deuten zunächst auf kleinere Krampfanfälle - wir bringen Silian deshalb in die neurologische Abteilung der Kinderklinik Ravensburg. Dort häufen sich trotz eingestellter Anti-Epileptika diese Anfälle in derart rascher Abfolge, dass die Ärzte ratlos sind. Erst ein parallel aufgezeichnetes Langzeit EEG / EKG bringt uns auf die richtige Spur: Der Schrittmacher weist einen unerklärlichen Defekt auf und verursacht durch kurzzeitige Ausfälle Silian's Aussetzer. Da nun niemand mehr garantieren kann, dass der Schrittmacher nicht komplett ausfallen könnte, wird Silian notfallmäßig per Rettungsjet / Helikopter ins Kinderherzzentrum Giessen verlegt. Dort wird ein neuer Schrittmacher eingesetzt und alle Probleme sind behoben.

    Silian bei seiner Einschulung im September 2002

Oktober 2002

Seine ersten Herbstferien verbringt Silian zum größten Teil im Kinderherzzentrum Giessen: Routinemäßig wird die 5 mm-Fenestrierung des Fontan-Kreislaufs per Herzkatheder mit einem Doppel-Schirmchen verschlossen. Silian's Sauerstoffsättigung liegt jetzt bei 95-97 %. Silian ist nun in der Form seines Lebens, entwickelt sich in der Schule völlig normal, betreibt Sport in dosierten Maßen. Kurzum: Gemessen an der ersten Prognose noch im Mutterleib sind wir alle mehr als Happy über diesen Verlauf.

  "Happy Family" Gerold, Lynn, Silian, Christiane, Rafael, Saritha (v.l.n.r.) im Oktober 2002

(Stand: 31. Dezember 2002)

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